Der Grosse Rat hat die Nutzerstrategie für die landwirtschaftlichen Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentren INFORAMA an den Regierungsrat zurückgewiesen – mit nicht weniger als neun Auflagen für die Überarbeitung, die von der einstimmigen Finanzkommission formuliert worden waren. Mit 93 gegen 16 Stimmen und 45 Enthaltungen wurde eine zusätzliche Auflage gutgeheissen, die von den GRÜNEN Grossratsmitgliedern Bruno Vanoni und Rahel Ruch beantragt worden war, mit Unterstützung von Ratskollegen aus SP, FDP und EDU. Ihr Wortlaut:

«Die Nutzerstrategie INFORAMA ist gezielt auf eine Stärkung und Ausweitung der biologischen Landwirtschaft auszurichten. Sie soll gemäss Art. 51 Abs. 2 der Kantonsverfassung zur Förderung weiterer «naturnaher Bewirtschaftungsweisen» beitragen (z.B. regenerative Landwirtschaft, Permakultur). Die Berner Bio-Offensive wird wirkungsvoll ergänzt; durch die Nähe zu entsprechend bewirtschafteten Betrieben wird ein starker Praxisbezug sichergestellt und die Regionalität hochgehalten.»

Für Bio-Ausbildung mit starkem Praxisbezug 
Aus Sicht der GRÜNEN ist es erfreulich, dass dieser Akzent für eine umwelt-, klima- und bodenschonende Landwirtschaft auch breit unterstützt worden ist – einzig SVP und Mitte sprachen sich gegen den Antrag aus oder enthielten sich der Stimme. Der Bio-Antrag lässt, wie Antragsteller Bruno Vanoni betonte, bewusst offen, ob die landwirtschaftliche Bio-Ausbildung künftig (wie von der Regierung vorgeschlagen) auf der Rütti in Zollikofen oder weiterhin auf dem Schwand in Münsingen erfolgen soll. Damit der geforderte starke Praxisbezug in Zollikofen gewährleistet werden könnte, müssten dort allerdings geeignete Flächen auf biologische und regenerative Landwirtschaft umgestellt werden. 

Gelegenheit dazu bietet die geplante Umwandlung des kantonalen Pachtbetriebs auf der Rütti in einen Wissenstransfer- und Innovationsbetrieb von INFORAMA und BFH-HAFL (Berner Fachhochschule – Hochschule für für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften). Nach der klaren Annahme der Auflage erwarten die GRÜNEN, dass in der überarbeiteten Nutzerstrategie in der Dezembersession 2024 überzeugend aufgezeigt wird, wie die landwirtschaftliche Bildung und Beratung stärker auf eine Landwirtschaft ausgerichtet werden kann, die biologisch produziert, den Boden schont und zur Klimaneutralität beiträgt.  

Biodiversität – alle müssen einen Beitrag leisten
Nicht zurückgewiesen, sondern mit ergänzenden Aufträgen angereichert hat der Grosse Rat den Bericht des Regierungsrates zum Thema «Biodiversität und Versiegelung im Siedlungsraum». Der Bericht war durch einen breit abgestützten Vorstoss ausgelöst worden, der unter dem Titel «Alle müssen ihren Beitrag leisten» ergänzend zu den Vorgaben für die Landwirtschaft auch Flächenvorgaben für die Biodiversitätsförderung im Siedlungsgebiet forderte. Die zuständige Direktion (WEU) hatte dazu einen hervorragenden Expertenbericht erarbeiten lassen. Doch von den meisten Empfehlungen der Fachleute hat der Regierungsrat nichts wissen wollen. 

Die Grüne Fraktion hat deshalb Anträge der vorberatenden Kommission (BaK) unterstützt, wenigstens minimale Ansätze aus dem Expertenbericht weiterzuverfolgen, so namentlich finanzielle Anreize für Gemeinden, die Konzepte für die Förderung der Biodiversität im Siedlungsraum entwickeln und umsetzen wollen, sowie ein Wahrnehmen der Vorbildrolle des Kantons als Grundeigentümer und Bauherr. Zudem wurden der kantonalen Abteilung für Naturförderung (ANF) neue Informations- und Beratungsaufgaben übertragen. 

Unerhörter Hilferuf der Naturförderung
Zwar hat der Grosse Rat diesem Minimalprogramm zugestimmt. Aber auf Drängen von SVP und Mitte hat es die bürgerliche Mehrheit abgelehnt, vom Regierungsrat auch die Budgetierung der nötigen Mittel zu verlangen, damit die kantonale Verwaltung diese zusätzlichen Aufgaben personell und finanziell bewältigen kann. Aus Sicht der GRÜNEN ist diese Verweigerung zusätzlicher Stellen und Finanzen umso stossender, als die betroffene ANF in ihrem jüngsten Jahresbericht dargelegt hat, dass ihr das Personal fehlt, um eigentlich verfügbare Bundes- und Kantonsmittel verantwortungsvoll einzusetzen. Dringend notwendige Arbeiten müssten zurückgestellt werden; der gesetzliche Auftrag könne nicht erfüllt werden.

Grüne Prüfungsaufträge schon lange hängig
Nach dem völlig ungenügenden Resultat der vierjährigen Arbeiten am Thema Biodiversität im Siedlungsraum bleibt aus Sicht der GRÜNEN der Handlungsbedarf in der aktuellen Biodiversitätskrise gross. Seit zwei Jahren sind diverse Forderungen hängig, die in einem grünen Vorstosspaket deponiert und vom Grossen Rat als Prüfungsauftrag überwiesen worden sind: Der Schutz der Biotope muss verbessert werden; insbesondere Hoch- und Flachmoore sind als wertvolle Lebensräume zu erhalten und durch Regenerationsprojekte vor dem Austrocknen zu bewahren; für eine ausreichende ökologische Infrastruktur sind die nötigen Räume und Vernetzungen auf der ganzen Fläche des Kantons auszuscheiden. Die GRÜNEN Kanton Bern erwarten, dass Regierung und Verwaltung mit der Bearbeitung dieser Aufträge vorwärts machen – und dass der Grosse Rat kommende Vorlagen besser unterstützt als die jetzt verpatzte Gelegenheit zur Biodiversitätsförderung im Siedlungsraum.